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„Die Gesundheitsversorgung in Syrien – eine Katastrophe“

Konferenz der DSÄ in Dortmund am 21.3.2015

Bild zur NewsmeldungRund 180 Mediziner, Vertreter von Hilfsorganisationen und interessierte Bürgerinnen und Bürger haben sich am 21.3.2015 im Ärztehaus der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe auf Einladung des Vereins „Deutsch-Syrische Ärzte für humanitäre Hilfe e.V.“ zu einer Konferenz getroffen, um die Gesundheitsversorgung in Syrien und den Anrainerstaaten zu thematisieren. Elf Millionen Menschen sind durch den vier Jahre andauernden Krieg zu Flüchtlingen geworden. Mindestens 210.000 Menschen wurden getötet, und mindestens 840.000 Menschen sind verletzt. Über 100.000 Kinder wurden in Flüchtlingslagern geboren. 50% der syrischen Kinder gehen nicht zur Schule. Diese Zahlen an sich sind schon mehrstimmige und laute Rufe nach Hilfe. Wie auf diese Rufe reagiert werden kann und muss, war das Thema der Konferenz.

Bild zur NewsmeldungDr. Thomas Kriedel, Präsident der KVWL, begrüßte die Gäste und erklärte, dass der Konferenzraum normalerweise für Sitzungen des Ärzteparlaments der KVWL genutzt werde. Das Ärzteparlament debattiere über die Belange der Ärzte in Westfalen-Lippe, und zu diesen Belangen gehöre auch die Besorgnis über die katastrophale Lage in Syrien. Daher sei es passend, dass diese zweite Konferenz der Deutsch-Syrischen Ärzte für humanitäre Hilfe e.V. in diesem Raum stattfinde.

Bild zur Newsmeldung Der Dortmunder Oberbürgermeister Ullrich Sierau hob in seinem Grußwort hervor, dass Dortmund der erste Ort für viele syrische Flüchtlinge sei, da sich in Dortmund und Bielefeld die zwei Ankunftsstellen in NRW befinden. Dort arbeitet z.B. der Kinderarzt Dr. Khalil Bajbouj, Vorsitzendes des DSÄ e.V., und leistet ehrenamtlich medizinische Versorgung für die Flüchtlinge.

Bild zur NewsmeldungDortmund ist die neue Heimat für Dr. Ammar Zakaria, einen syrischen Anästhesisten, der den Journalisten Jörg Armbruster in Aleppo durch eine Notoperation in einem Untergrundkrankenhaus rettete. Aus Sicherheitsgründen musste Zakaria mittlerweile Syrien verlassen, aber die Stadt Dortmund bietet ihm und seiner Familie ein sicheres Zuhause. Zakaria berichtete in einem eindrücklichen Vortrag aus der Arbeit in einem Untergrundkrankenhaus in Aleppo. Die Räume liegen tatsächlich unterirdisch, da die Räumlichkeiten wiederholt von Regime-Truppen durch Fassbomben zerstört wurden. Bild zur Newsmeldung Operationen finden mit minimalster Ausstattung statt. Ein englischer Trauma-Chirurg berichtete in einem Video-Ausschnitt, dass er immer eine Stirn-Lampe mit eigener Stromversorgung beim Operieren trägt, da der Strom jederzeit ausfallen könne. Zu seiner Standardausrüstung gehört auch eine Gasmaske, die ihm im Falle eines Angriffs für drei bis vier Minuten Sauerstoff liefert, damit er die Räume verlassen kann. Trotz dieser düsteren Beschreibungen und Aussichten bleiben Zakaria und seine ehemaligen Kollegen hoffnungsvoll. Etwa wenn es ihnen gelingt ein schwer verletztes Mädchen zu retten.

Bild zur NewsmeldungBärbel Dieckmann, die Präsidentin der Welthungerhilfe, begann ihr Referat mit einer persönlichen Erinnerung an Syrien vor dem Krieg, ein Land voll Kultur und Bildung. Heute ist die Situation dort so kompliziert und schier ausweglos, dass selbst die Welthungerhilfe ratlos ist. Auch wenn es genau ihre Aufgabe ist, an schwierigen Orten zu helfen, und die Welthungerhilfe in so umkämpften Gebieten wie Zentralafrika und dem Süd-Sudan ihre Arbeit leistet, ist vieles anders in Syrien. Dieckmann erklärte, dass die Arbeit der Welthungerhilfe stets mit zukunftsorientierten Projekten verbunden sei, damit die Menschen möglichst Bild zur Newsmeldung bald selbstständig fortfahren könnten. Aber in der Hilfe für die syrischen Flüchtlinge ist dieser zukunftsorientierte Zugang nicht möglich. Hier geht es um die bloße Lebenserhaltung, z.B. darum die Flüchtlinge vor dem Winter zu schützen. Eine neue Zahl illustriert die Situation mit erschreckender Deutlichkeit: Die Lebenserwartung eines Syrers hat sich im Verlauf dieses nun vierjährigen Krieges um 20 Jahre auf 55,7 Jahre reduziert. Frau Dieckmann stellte fest, dass eine grundlegende Verbesserung der humanitären Lage nur durch politische Fortschritte möglich sei.

Bild zur NewsmeldungProf. Dr. Malek Bajbouj von der Charité Berlin und Projektkoordinator von „CharitéHelp4Syria“ erklärte in seinem eindrücklichen Vortrag zu den Auswirkungen der Traumata der syrischen Flüchtlingen unter anderem wie es zu dieser radikalen Reduzierung der Lebenserwartung kommt. Der Stress und die Traumatisierung führten zu einer höheren Wahrscheinlichkeit einer Herz-Kreislauferkrankung und möglicherweise dann auch zu einem Schlaganfall mit Todesfolge. Mit einem internationalen Team arbeitet Bajbouj in jordanischen Flüchtlingslagern. Dort werden Flüchtlinge betreut, aber auch Pflegerinnen und Pfleger ausgebildet, um die dringend nötige seelische und psychische Betreuung bieten zu können.

Bild zur NewsmeldungJörg Armbruster nahm in seinem Vortrag Deutschland und die anderen europäischen Länder in die Pflicht, die Flüchtlingspolitik sinnvoller und menschlicher zu gestalten. Nach dem Dublin 2-Abkommen können Flüchtlinge in die Länder abgeschoben werden, in denen sie zuerst registriert wurden. Das heißt, wenn der Antrag eines syrischen Flüchtlings in Deutschland abgewiesen wird, dann wird der Flüchtling zwar nicht nach Syrien abgeschoben, aber in das Erstankunftsland. Und wenn der Flüchtling z.B. zuerst in Bulgarien angekommen ist, dann wird er dorthin abgeschoben, auch wenn ihm dort Gefängnisstrafen aufgrund von illegaler Einreise etc. drohen. Europa müsse die Flüchtlingssituation aktiv angehen und nicht einfach die Grenzen immer weiter in den Süden schieben, so Armbrusters Plädoyer. Auf Bürger-Ebene funktioniere die Integration der Flüchtlinge in Deutschland nach seiner Erfahrung gut; viele Bürger würden sich für die Flüchtlinge, etwa mit selbstorganisierten Deutschkursen engagieren. Aber auf staatlicher und europäischer Ebene müsse gehandelt werden.

Bild zur NewsmeldungIn der von Larissa Bender moderierten Podiumsdiskussion sprachen Jörg Armbruster, Prof. Malek Bajbouj, Dr. Tankred Stöbe (Präsident von Ärzten ohne Grenzen in Deutschland), Ute Hoffmann (action medeor) und Dr. Riad El Kassar (DSÄ e.V.) mit dem Publikum über die Probleme in der aktuellen humanitären Arbeit, über den Umgang mit Rückschlägen und die Aussichten auf eine Verbesserung der Lage. Dr. Stöbe betonte wie Bärbel Dieckmann, dass auch für Ärzte ohne Grenzen der Einsatz außergewöhnlich schwierig sei. Ihre Arbeit werde verschiedentlich behindert und nach der Entführung von fünf Mitarbeitern musste die Arbeit in Nordsyrien noch weiter eingeschränkt werden. Besonders unzufrieden sei Ärzte ohne Grenzen darüber, dass die Mediziner nur unzureichenden Zugang zur Zivilbevölkerung hätten. Auch Ute Hoffmann (action medeor) berichtete, dass die medizinische Hilfe für Syrien ein schwieriger Sonderfall sei.Bild zur Newsmeldung Man könne dort wegen der gefährlichen Lage nicht direkt arbeiten. Ihre Organisation ist im Kontakt mit den im Inland tätigen medizinischen Netzwerken und liefert das Nötigste an Medikamenten in enger Zusammenarbeit mit Hilfsorganisationen in den Anrainerstaaten. Dr. Riad El Kassar (DSÄ e.V.) erklärte, dass zwei Drittel der Mediziner Syrien verlassen hätten, weil die Notärzte eine Zielscheibe für das Regime und die Terrorgruppen seien. Durch den Tod eines Arztes würden Hunderte Menschen hart getroffen und verletzt. Um den Exodus der syrischen Mediziner zu stoppen, sei eine neue Aufgabe für die DSÄ die Versorgung der wenigen noch in Syrien verbliebenen Ärzte und Pfleger zu gewährleisten. Die Hilfe für die Ärzte im Land bedeutet Hilfe für Tausende. Ohne ausländische Unterstützung könnten die Untergrundkrankenhäuser kaum Gehälter auszahlen und so würde weiteres medizinisches Personal gezwungen, Syrien zu verlassen und die Versorgung innerhalb des Landes würde sich weiter verschlechtern.

Bild zur Newsmeldung Im Gespräch mit dem Publikum wurde auch die Frage nach den kommenden politischen Schritten in diesem Konflikt thematisiert. Welche Parteien sollen an Friedensgesprächen beteiligt werden? Fest steht, dass jeder Tag im Kriegszustand ein verlorener Tag für die Menschen in Syrien und die elf Millionen Flüchtlinge und damit für Syriens Zukunft ist. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer äußerten die Hoffnung, dass bei der nächsten Konferenz in sechs Monaten die Lage der syrischen Bevölkerung sich bereits verbessert hat.

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